29,8 Kilo

Die Dinge liegen am Boden verstreut vor mir: T-shirts, lange Röcke, Regenjacke, Handtasche Mückenspray, unendlich viel Medizin, Geschenke für die Kinder, Bücher, Kamera, Laptop, das Kuscheltier. Ein Jahresvorrat Sonnencreme. Meine persönlichen Sachen bedecken den ganzen Fußboden unseres Wohnzimmers. 30 Kilo darf ich mitnehmen, so steht es auf dem Zettel. Die Kofferwaage zeigt unerbittlich 41,3kg an. Ich habe nichts unötiges einpacken wollen. Zwei Jeanshosen, drei paar Schuhe. Kosmetik und Wachzeug für ein ganzes Jahr! Und so viele Dinge kann man in Uganda nicht kaufen. Shampoo zum Beispiel da habe ich gleich drei Packungen eingepackt. Tampons gibt es dort auch nicht gschweigendenn Nagellackentferner oder Sonnencreme. Liederbücher fürs Gitarre spielen. Außerdem habe ich mit so viel Mühe Kleinigkeiten für die Kinder ausgesucht. Kleine Flieger, ein Memoriespiel, UNO, Halli Galli, Gummietwist, eine Kinderjacke für mein Patenkind, Stifte, kleine Bälle und ein paar Süßigkeiten.Das liegt jetzt auch dort mit auf dem Fußboden.

Verzweifelt schaue ich auf das was für die nächsten zwölf Monate mein Hab und gut Sein soll. Es sind nicht viele Klamotten und nur die aller aller wichtigsten Kleinigkeiten die ich besitze. Mein kleines Kissen und das Kuscheltier, ein paar Fotos, das Abschiedsgeschenk meiner besten Freundin. Mein Lieblingskleid. 

Ich werde sauer auf die Airline. 30Kilo wie stellen sie sich das vor?

Es tut mir weh Dinge dazulassen die mir Sicherheit geben.  "Gott" bete  ich "Gott es geht schon los.Vielleicht bin ich zu alt für einen Freiwilligendienst. Vielleicht habe ich mich mit zwanzig an die vielen schönen Kleider in meinem Schrank gewöhnt. An meine Lieblingshaarspülung die das Haar geschmeidig macht. Daran, aus mehreren Schuhen das farblich passende aussuchen zu können. Es macht mir Freude die Nägel bunt anzumalen. Vielleicht bin ich zu sehr daran gewöhnt mich in meine geblühmte Rosaliebettwäsche zu vergraben und durch das Dachfenster in die Sterne zu schauen wenn der Tag mich entmutigt hat. Ich kann mir grade nicht vorstellen dass es mir ohne all das so richtig gut gehen wird. Gott vielleicht ist das alles gar nicht mein Ding. Hilf mir wichtiges von unwichtigem zu unterscheiden." Ich fühle mich brutal gezwungen in diesem Moment. Ich denke an die Worte die ein ugandischer Freund mir gesagt hat. "Es fällt dir so schwer dich zu reduzieren weil du so viel hast. Wenn ich nach Deutschland kommen würde würde ich alle meine Sachen die  ich besitze in den Koffer machen und hätte immer noch Platz."

Dann hat er gelacht. "Es geht mir nicht schlecht."

 

Und auf einmal will ich am liebsten ganz ohne Gepäck gehen. Bevor dieser Luxus hier noch mehr zur Normalität wird.

Ich will diesen Luxus auf die Probe stellen. Ich habe mich entschieden mit nur einem Koffer nach  Uganda zu gehen und ich habe mir vorgenommen mit den Menschen in Uganda gemeinsam zu leben. Und das geht nunmal nicht so wie ich hier zuhause lebe. Mit Himmelbett unter dem Dachfenster.

Und dann rufe ich ihn einfach an, den ugandsichen Freund. "Okay pass auf " sage ich auf Englisch "Ich muss zehn Kilo Gepäck los werden und muss aussortieren. Hast du Zeit mir zu helfen?"

Da stellt sich heraus das man Shampoo doch kaufen kann wenn man weiß wo, genauso wie Socken und Desinfiktionsmittel. Über meine Erklärung warum eine Haarkur jetzt schon eigentlich wichtig wäre mit zu nehmen lacht er  und ich geniere mich. Wir halbieren die Anzahl der Tshirts (drei) einigen uns auf zwei Röcke und eine Jeans und fotografieren einige Seiten der Bücher ab. Zwei Kleider reichen auch schließlich kann man dort welche kaufen. Ein komplettes Federmäppchen erweist sich ebenfalls als unnötig also packe ich Bleistift, Kuli und Radiergummi ein das reicht. So gehen wir alles durch. Am Ende fehlt nur noch anderthalb kilo die zu viel sind.

 

Am Ende muss ich doch einige der Geschenke für die Kinder da lassen weil Spielzeugautos und Buntstiftpackungen schon relativ schwer sind aber meine Mutter verspricht mir sie nachzuschicken. Um halb zwölf zeigt die Kofferwage endlich die ersehnten 29,8 Kilo an. Es fühlt sich seltsam an die aussortierten Sachen ins Zimmer zurück zu bringen ich fühle mich ein bisschen wie nach einem Streit mit Versöhnung. Aber ich weiß ich habe dabei was ich unbedingt brauche und noch etwas mehr.